Abgeordnete:

Vorgeburtliche Gentests dürfen keine Routine werden

Vorgeburtliche Bluttests auf genetische Besonderheiten entwickeln sich nach Einschätzung einiger Parlamentarier trotz Vorbehalten des Gesetzgebers zu einer Routineuntersuchung. In einer am Mittwoch debattierten Anfrage kritisiert eine interfraktionelle Gruppe von 121 Bundestagsabgeordneten eine solche Entwicklung der Pränataldiagnostik. Der Antrag wurde an verschiedene Ausschüsse überwiesen.

Die Abgeordneten beriefen sich auf die Abrechnungszahlen im ersten Jahr seit der Kassenzulassung. Demnach kam von Juli 2022 bis Juni 2023 der Test rund 63.000 Mal bei rund 160.000 Geburten pro Quartal zum Einsatz - auf 2,5 Geburten kam ein Test auf Trisomien 13, 18 und 21. Das gehe eindeutig über "begründete Einzelfälle" hinaus, wie es die Richtlinien vorsehen.

Die vor rund zwei Jahren beschlossene Kassenzulassung galt als hoch umstritten, weil damit ein Massenscreening nach möglichen Gendefekten befürchtet wird, bei dem Menschen mit möglichen Behinderungen "aussortiert" werden. Die interfraktionelle Gruppe fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, Folgen der Kassenzulassung von Tests auszuwerten und die ethischen, rechtlichen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung von einem Expertengremium prüfen zu lassen.

Die Gruppe konstituierte sich im Juli 2022 mit dem Ziel, eine Routineanwendung von Trisomien-Bluttests und selektiver Pränataldiagnostik zu verhindern. Denn dies widerspreche "grundsätzlich der Idee einer inklusiven Gesellschaft und Artikel 8 der UN-Behindertenrechtskonvention". Zu den Mitgliedern gehören Michael Brand, Hubert Hüppe, Sabine Weiss (alle CDU), Stephan Pilsinger (CSU), Dagmar Schmidt (SPD), Corinna Rüffer (Grünen), Pascal Kober (FDP) und Sören Pellmann (Die Linke).

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt erklärte dazu, Menschen mit Down-Syndrom seien genauso wertvoll wie andere Menschen. Sie sehe die Aufgabe der Parlamentarier auch darin, aufzuklären, was ein Leben mit Behinderung bedeute und dafür zu werben, dass Familien mit "besonderen Kinder auch eine besondere Unterstützung verdienen". Zugleich solle der Antrag Auftakt für eine Debatte über die weitere medizinische Entwicklung von Gentests sein. Das Thema sei "größer als in der Debatte vor fünf Jahren".

Die Grünen-Abgeordnete Corinna Rüfer betonte, es sei Zeit, sich endlich fundiert mit den rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Fragen der nichtinvasiven Pränataldiagnostik auseinanderzusetzen. Der Unionsabgeordnete Hubert Hüppe (CDU) sagte, der Test sei nicht therapeutisch, sondern "rein selektiv". Dadurch, dass der Test Kassenleistung sei, werde der Eindruck erweckt, es handle sich um eine Aufgabe des Sozialsystems, den Menschen mit Downsyndrom das Existenzrecht zu nehmen, und Schwangere handelten verantwortungslos, wenn sie den Test nicht durchführten.

Dagegen betonten die SPD-Abgeordnete Tina Rudolph und die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr, sie könnten den Antrag nicht unterstützen. Es werde mit "unbelegten Befürchtungen gearbeitet, dass Schwangere solche Tests unüberlegt veranlassen und Ärzte ihn ohne Grund durchführten", sagte Helling Plahr. Sie glaube an mündige Schwangere und verantwortlich handelnde Ärzte.

KNA

25.04.2024 - Lebensschutz , Politik , Schwangere