Armengräber

Nicht einfach verscharrt werden

Es gibt anonyme Bestattungen, die die meisten Menschen als unwürdig empfinden würden: Ein Friedhofsangestellter beerdigt die sterblichen Überreste eines Menschen ohne Grabrede, ohne Zeremonie, ohne Trauerfeier und ohne Trauergäste.
Diese Art der Bestattung trifft häufig Arme und Außenseiter der Gesellschaft. Dominikanerpater Simon Petrus Goldau von Heilig Kreuz springt in solchen Fällen ein, vor allem bei Obdachlosen, die vom Sozialverband SKM Augsburg betreut werden. Pater Simon Petrus wirkt schon seit vielen Jahren als Mitarbeiter beim SKM, speziell in den Wohngruppen und dem ambulant betreuten Wohnen. Er nimmt die Position eines außerordentlichen Seelsorgers ein und hält im Bedarfsfall die Beerdigung. „So ein Mensch wird uns anvertraut, auch zugemutet. Jeder ist von Gott bei seinem Namen gerufen; jeder bleibt Mensch, auch über seinen Tod hinaus von Gott geliebt“, betont er. Als Dominikaner wolle er besonders für Randgruppen da sein.
Wer beim SKM landet, hat oft in seinem Leben persönliche Katastrophen erlebt. Etwas hat den betroffenen Menschen aus der Bahn geworfen. Die Obdachlosen haben zwar meist Kontakte zu Leuten in ähnlicher Situation. Wenn es ans Sterben geht, womöglich hervorgerufen durch Krankheiten, die man sich auf der Straße zugezogen hat, oder eine Suchterkrankung, dann fehlt es aber oft an Anteilnahme.
Die Freunde wissen, dass auch sie bald an der Reihe sein könnten, und halten lieber Abstand. „Aber wir beten bewusst auch für den, der als Nächster ins Grab folgen wird“, sagt Pater Simon Petrus. Manchmal gibt es noch Angehörige, aber der Kontakt ist oftmals abgebrochen. Der SKM fungiert dann als eine Art Ersatzfamilie. Pater Simon Petrus sieht die Trauerfeier, die er übernimmt, aber auch als „Akt der Barmherzigkeit“, etwas, was Jesus Christus eigentlich von jedem Gläubigen fordert (man kann an den barmherzigen Samariter denken). „Wie oft laufen wir an jemandem vorbei und sehen nicht den Nächsten in ihm, oder wir schauen bewusst weg, weil er uns anekelt“, mahnt er.

Niemand geht verloren

Pater Simon Petrus ist es ein großes Anliegen herauszufinden, was im Leben der verstorbenen Klienten wichtig war, um die Feier persönlich gestalten zu können. Blumen auf dem Grab oder die Grabkerzen sind für ihn Zeichen dafür, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Jeder Mensch blickt der Auferstehung entgegen. „Bei Gott geht nichts verloren“, sagt Pater Simon Petrus, „ich bleibe auch in der Ewigkeit eine unverwechselbare Person mit all meinen Eigenheiten.“ Das sei der eigentliche Grund, weshalb er Beerdigungen halte.
Wenn tatsächlich kein Pfarrer da ist, dann liegt das laut Pater Simon Petrus oftmals an abgebrochenen Kontakten. Jeder mit christlichem Glauben habe eigentlich Anspruch auf die Mitwirkung eines Pfarrers. Der sollte aber aus der Heimatpfarrei kommen, und oft ist die weit entfernt, und der Verstorbene hat sich dort seit vielen Jahren nicht mehr blicken lassen. Der Termin auf dem Friedhof wird normalerweise zwischen einem Beerdigungsinstitut und dem Friedhofsamt vereinbart. So kann es passieren, dass der Pfarrer zu spät über die Beerdigung informiert wird und dann gerade keine Zeit hat.
2005 starb ein in Augsburg recht bekannter Obdachloser, Wladimir Khlebnikov. Da kam nach den Worten der Leiterin der Wärmestube, Christine Weser, beim SKM der Wunsch auf, dass es nicht nur eine anonyme Bestattung geben sollte. Deshalb kaufte der SKM ein Doppelgrab auf dem Westfriedhof, das auch acht Urnen aufnehmen kann. Später kam ein zweites solches Grab daneben hinzu. Weser lässt Laubblätter aus Keramik gestalten, die mit dem Namen des oder der Verstorbenen versehen und an dem Stein befestigt werden. „Das ist eine individuelle, persönliche Form“, findet sie.
Nur bei anonymen Begräbnissen von Obdachlosen oder Bedürftigen übernimmt die Stadt die Rechnung. Nicht nur der Sarg und der Grabstein müssen bezahlt werden. Die Grabnutzung kostet jährlich eine Gebühr, hinzu kommt die allgemeine Friedhofsgebühr. Wer sich nicht selbst um Grabschmuck und -pflege kümmern kann, muss damit zusätzlich einen Gärtner beauftragen. Meist will diese Kosten bei Obdachlosen niemand tragen.
Im Fall der beiden Armengräber übernimmt sie nun der SKM. „Es ist schön, wenn sich eine kleine Trauergemeinschaft  am Grab des verstorbenen Obdachlosen einfindet“, sagt die Sprecherin des SKM Augsburg, Pia Haertinger. „Wer unsere Grabkultur unterstützen möchte, kann aber auch etwas zu den Kosten beisteuern.“     

Andreas Alt
Information
www.skm-augsburg.de, Stichwort: „Ich will helfen“.

24.11.2017 - Bistum Augsburg