So stattlich die Baulichkeiten von St. Nazianz im US-Bundesstaat Wisconsin sich auch präsentieren: Das Innere der alten Klosteranlage ist teilweise von Vandalen verwüstet. Geistergeschichten, die um den Ort kursierten, schreckten lange Zeit potenzielle Investoren ab. Der Ort wurde von „Father Ambrose“ gegründet, einem umstrittenen Priester aus dem Schwarzwald, der hier eine urchristliche Kommune leitete.
Der Ort mit Kirche, Kloster und Schultrakt ist vielen Leuten in den Eastern Ridges nicht ganz geheuer. St. Nazianz, beim gleichnamigen 700-Seelen-Dorf zwischen dem Michigan- und dem Winnebago-See gelegen, sei „haunted“: Es spuke dort. Der seit vier Jahrzehnten leerstehende Klosterkomplex sei der unheimlichste Ort in Wisconsin, wird in den Medien kolportiert. In der „JFK Prep School“ – wie die Anlage wegen ihrer letzten Verwendung in den 1970er Jahren genannt wird – sollen Geister umgehen!
Für die Kirche ein Problemfall, für Anhänger ein Heiliger
Der Mann, der den Ort im Nordosten der USA 1854 gründete, war der wohl umstrittenste Kirchenmann der Erzdiözese Freiburg: Von den einen wurde er als Wunderheiler verehrt, bei anderen war er als Spinner verschrien. Müllersohn Ambros Oschwald aus der Lochmühle bei Unadingen im Südschwarzwald war für die katholische Kirche ein Problemfall. Für seine Anhänger aber genoss er als Seelsorger, Seher und Buchautor den Ruf eines Heiligen.
Oschwald wurde vor genau 220 Jahren, am 14. März 1801, geboren. Nach seinem Studium und der Priesterweihe im Jahr 1833 arbeitete der junge Geistliche als Kaplan in den Pfarreien Hammereisenbach-Bregenbach, Stühlingen und Ballenberg und wurde überall wegen seiner Frömmigkeit gelobt. Allerdings war er wegen seines Anspruchs, auch Krankenheilungen durchzuführen, bereits vereinzelt in einen Konflikt mit der Ärzteschaft und den kirchlichen Autoritäten geraten.
Unliebsamer Geistlicher
Die Dispute führten dazu, dass Oschwald vom Freiburger Erzbischof Hermann von Vicari (1773 bis 1868) in immer entlegenere kleine Orte im Schwarzwald versetzt wurde. Den unliebsamen Geistlichen ausbremsen konnte er damit nicht. Denn das Landvolk war überzeugt: „Wer heilt, hat Recht.“ Rasch wuchs Oschwalds Ansehen weiter. Seine Anhänger nahmen teils stundenlange Wanderungen auf sich, um seinen Rat und Segen zu erhalten.
1848 wurde Oschwald erneut versetzt: nach Herrenwies. Eben da publizierte er sein Büchlein „Mystische Schriften“. Es enthielt Schilderungen von Visionen, von denen er behauptete, sie seien ihm seit Jugendjahren zuteil geworden. Auch eine endzeitliche Rückkehr Jesu auf Erden sagte das Buch voraus. Der Streit mit den kirchlichen Vorgesetzten eskalierte – Oschwald wurde die Suspension angedroht. Erstmals kam ihm nun der Gedanke an eine Auswanderung in die USA.
Im Dezember 1850 wurde er – mittlerweile Pfarrer im Dörfchen Hofsgrund am Schauinsland – suspendiert. Bis März 1852 konnte er noch im Pfarrhaus bleiben, dann zog er nach München, um Medizin zu studieren. Gedrängt von seinen Anhängern, kehrte er jedoch im April 1854 in den Schwarzwald zurück und stellte sich an die Spitze einer Gruppe von 113 Anhängern. Diese war nun fest entschlossen, nach Amerika auszuwandern.
Mit bedingungslosem Vertrauen nach Amerika
Es sei unmöglich, begründete Oschwald den Entschluss, „im heimischen Schwarzwald oder sonst wo in Deutschland eine katholische Gemeinde aufzubauen, die nach christlicher Vollkommenheit strebt und wo alle ihre Mitglieder die evangelischen Räte zu ihrer Lebensrichtlinie machen können. So wurde entschieden, nach Amerika zu gehen und dieses Unterfangen aus dem jungfräulichen Boden eines neu erschlossenen Territoriums zu verwirklichen.“
Oschwalds 113 Anhänger stammten aus einfachen Verhältnissen. Sie waren Bauern oder Handwerker. Auch Frauen und Kinder reisten in die Vereinigten Staaten mit. Sie alle nannten ihn „Vater“ und vertrauten ihm bedingungslos. An Fronleichnam 1854 stachen die Auswanderer im nordfranzösischen Le Havre, auf zwei Schiffe verteilt, in See.