Der Jakobsweg setzt seine Erfolgsgeschichte fort und ist beim Zulauf in neue Dimensionen vorgestoßen. Die Glättung der Corona-Wogen ist 2022 mit einem riesigen Nachholbedarf einhergegangen und hat der beliebten Pilgerstrecke eine abermalige Rekordmarke beschert. Rund 435 000 Pilger durften sich im Laufe des vergangenen Jahres im Pilgerbüro von Santiago de Compostela ihre Pilgerurkunde abholen.
Voraussetzung dafür ist, mit Stempeln im Pilgerausweis belegen zu können, mindestens die finalen 100 Kilometer bis zur Apostelstadt zu Fuß beziehungsweise die letzten 200 Kilometer mit dem Rad zurückgelegt zu haben. Niemals sind nachweislich mehr Ankömmlinge verzeichnet worden als 2022. Der bisherige Rekord von 2019 – 347 578 Pilger – wurde um Längen übertroffen. Für Heino von Groote, den Vorsitzenden des Paderborner Freundeskreises der Jakobuspilger, war das keine Überraschung.
„Wie am Ballermann“
„Aber es fand überwiegend auf den letzten 100 Kilometern statt“, schränkt er den Rekord ein. Generell scheinen sich die Verhältnisse zu verschieben, meint Groote: von religiöser Sinnsuche hin zum Lifestyle-Pilgern. „Hier ist es fast so geil wie am Ballermann. Nur der Strand und das Meer fehlen“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur einen 21-Jährigen aus Hamburg, der sich in Santiago den Trinkfreuden hingab.
Das geschieht auch andernorts. In Foncebadón, dem letzten Pilgerdorf vor dem Eisenkreuz, dem höchsten Punkt des Jakobswegs, dringen aus einer Kneipe poppige Klänge und rauben dem Jakobsweg die Stille. Ein Werbeschild preist einen Cocktail für fünf Euro an. Draußen sitzen junge Pilger zusammen und genehmigen sich einen Tropfen. Die Füße wippen im Takt.
In Santiago de Compostela häufen sich derweil die Beschwerden über jene, die jubilierend und ohne Rücksicht auf Lärmbelästigung in die Altstadt einziehen – und ihre Ankunft ausgiebig begießen. Dabei handelt es sich oftmals um reine „Urkundenjäger“, deren Pilgerschaft sich auf die letzten 100 Kilometer beschränkt. So hat es auch Heino von Groote beobachtet.