Ohne Gegenstimme

Israel beschließt Abschaffung der "Angemessenheitsklausel"

Mit 64 Stimmen ohne Gegenstimme hat die israelische Regierung den ersten Kernteil ihrer geplanten Justizreform verabschiedet. Das umstrittene Gesetz zur Abschaffung der sogenannten Angemessenheitsklausel passierte am Montagnachmittag die zweite und dritte Lesung im Parlament.

Israels Polizeichef Kobi Schabtai sagte dem Sender Channel 12 News, die Polizei bereite sich darauf vor, ein Eindringen von Demonstranten in die Knesset zu verhindern. Man werde Proteste erlauben, aber es gebe Grenzen, die nicht überschritten werden dürften.

Vor der Annahme des Gesetzes waren 140 Änderungsanträge abgelehnt worden. Die Oppositionsparteien boykottierten die finale Abstimmung aus Protest. Letzte Versuche, doch noch einen Kompromiss zu schmieden, scheiterten.

Laut dem Gesetzestext ist es der Justiz künftig untersagt, die "Angemessenheit" von Kabinetts- und Ministerentscheidungen zu überprüfen, einschließlich Ernennungen für wichtige Ämter, wie die "Times of Israel" berichtet. Damit fällt aus Sicht der Gegner des Reformvorhabens ein wichtiger Schutz vor willkürlichen Regierungsentscheidungen weg. Die demokratische Gewaltenteilung werde geschwächt.

Justizminister Jariv Levin sagte indes der Zeitung "Haaretz" nach der Schlussabstimmung, die Regierung habe "den ersten Schritt in dem historischen Prozess getan, das Justizsystem zu korrigieren und die Befugnisse wiederherzustellen, die der Regierung und der Knesset über viele Jahre hinweg genommen wurden".

Auch der israelische Finanzminister, der rechtsradikale Bezalel Smotrich, begrüßte die Annahme des Gesetzes. Man habe bis zur letzten Minute nichts unversucht gelassen, aber die Opposition habe sich "leider einem Kompromiss widersetzt".

Rund um das Parlamentsgebäude hielten die Proteste gegen die Regierungsentscheidung laut Berichten an. Tausende Demonstranten, die seit den frühen Morgenstunden ausharrten, skandierten "Wir werden niemals aufgeben". Seit Antritt der amtierenden Regierung im Januar gehen wöchentlich Zehntausende Israelis gegen deren Reformvorhaben auf die Straßen. Der israelische Präsident warnte wiederholt vor einer Verfassungskrise und einem Zusammenbruch des Landes.

Bisher hatte die Angemessenheitsklausel dem Obersten Gericht die Befugnis erteilt, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" abzulehnen. Zuletzt kam sie zur Anwendung, als das Gericht im Januar die Ernennung eines vorbestraften Politikers zum Innen- und Gesundheitsminister untersagte.

KNA

25.07.2023 - Israel , Justiz , Politik