900 Jahre Prämonstratenser

Kirche nicht an einem „toten Punkt“

ROGGENBURG – Am ersten Jahrestag seiner Bischofsweihe hat Bischof Bertram Meier vorigen Sonntag zugleich ein anderes Jubiläum begangen: Mit den Roggenburger Prämonstratensern feierte er das 900-jährige Bestehen ihres Ordens. Neben einer humorvollen „Seligsprechung“ fand der Bischof auch ernste Worte über die derzeitige Krise der Kirche.

„Es ist eine schwere Zeit der Kirche, aber wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken. Wir sind nicht an einem toten Punkt“, sagte der Bischof. Damit bezog er sich auf  seinen Münchner Kollegen Kardinal Reinhard Marx, der vorige Woche mit seinem Amtsverzicht Aufsehen erregt hatte (siehe Seite 2/3) und die Kirche als an einem „toten Punkt“ angekommen bezeichnete. 

Dieser pessimistischen Einschätzung setzte der Augsburger Oberhirte „Knospen der Hoffnung“ entgegen, die er in der Diözese vielfältig sprießen sehe und von denen er zu hoffen wage, dass sie einmal aufgehen und Früchte tragen – „auch wenn andere vielleicht diese geistlichen Früchte Jahre, Jahre später pflücken dürfen“. Statt die Kirche totzureden und als „letzte Mohikaner“ eine Totenehrung vorzunehmen, sollten die Gläubigen Samenkörner der Hoffnung pflanzen, die ein anderer wachsen lasse.

Bekehrungserlebnis

Solch eine „Knospe der Hoffnung“ sei Norbert von Xanten vor 900 Jahren gewesen, die Kirche auch damals in einer Krise. Der junge adlige „Karriere-Kleriker“, fest in der Amtskirche verwurzelt und dem luxuriösen Lebensstil durchaus zugetan, hat bei einem Ausritt ein Bekehrungserlebnis. „Bei seinen Mitbrüdern, die viele Einkünfte und wenige Verpflichtungen haben, die satt sind nicht nur wegen des kulinarischen Genusses, sondern selbstzufrieden ihr Leben auskosten, stößt Norbert mit seinen plötzlichen Appellen zu geistlicher Umkehr auf taube Ohren“, führte Bischof Bertram in der Predigt aus.  

Norbert entscheidet sich für ein Leben in radikaler Nachfolge Christi und zieht als aszetischer Wander- und Bußprediger umher. Im nordfranzösischen Prémontré – davon leitet sich die Bezeichnung „Prämonstratenser“ ab – sammelt er eine Gemeinschaft Gleichgesinnter um sich und gründet schließlich an Weihnachten 1121 den neuen Orden. 

Der Bischof erklärte Norberts Vision: „Wie die Apostel sollen Priester aus einer Lebensgemeinschaft heraus als Seelsorger wirken, nicht vereinzelt, geschweige denn als Singles.“ Die Mitbrüder würden sich als „Gemeinschaft verstehen, die Leben und Glauben teilt“. Dieses Selbstverständnis war auch für Roggenburgs Pfarrer, Pater Ulrich Keller, ausschlaggebend für seine Entscheidung, Prämonstratenser zu werden –  „weil dieser Orden Seelsorge und Gemeinschaftsleben miteinander verbindet“, erklärt Pater Ulrich gegenüber unserer Zeitung. „Als Chorherren leben wir wie die Mönche, machen aber die Arbeit wie die Pfarrer.“

Der Festtag in Roggenburg war von einer herzlichen Stimmung geprägt. „Wir sind einander aufs Engste verbunden“, wandte sich der Bischof nicht nur an Prior Pater Stefan Kling, dessen Augsburger Büro im Amt für Kirchenmusik in direkter Nachbarschaft des Bischofshauses liegt, sondern an die gesamte Roggenburger Ordensgemeinschaft. „Danke Euch, liebe Brüder hier in Roggenburg, dass ihr mit Eurem Charisma unsere Diözese bereichert. Dass ihr da seid, ist ein Segen für die Menschen hier am Ort, im Dekanat, im Landkreis Neu-Ulm, im Bistum“, sagte Meier, der bereits als Neu-Ulmer Dekan eng mit den Prämonstratensern zusammengearbeitet hatte.

Und auch die Roggenburger Patres ließen es sich nicht nehmen, ihrerseits dem Bischof zu danken. Wofür? Dafür, „dass du Bischof bist, wie du bist“, sagte Prior Pater Stefan stellvertretend für alle Mitbrüder. Dass dies nicht nur eine Floskel ist, sondern der Wahrheit entspricht, davon konnten sich die Gottesdienstbesucher bei der „Seligsprechung“ des Neu-Ulmer Landrats Thorsten Freudenberger selbst überzeugen. Als Freudenberger dem Bischof fälschlicherweise zum ersten Jahrestag der Priesterweihe gratulierte, reagierte Bertram Meier schmunzelnd: Der Landrat müsse wohl ein Wunder gewirkt haben. „Es steht natürlich einem katholischen Bischof nicht zu, einen evangelischen Christen zum Seligen zu erklären. Aber wenn ich es könnte, würde ich es machen“, sagte Bischof Bertram mit einem Augenzwinkern in Richtung des „seligen Thorsten“. Romana Kröling

Information

Eine Sonderausstellung zum Ordensjubiläum zeigt das Klostermuseum Roggenburg bis Februar 2022. Außerdem sind im Klosterladen zwei Jubiläumsweine und ein Jubiläumsbier erhältlich.