Bernhard Vogel zählte einst zu den bekanntesten Politikern Deutschlands. Für die CDU war er Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen. Im Interview erzählt der 90-Jährige von seinem Glauben, seinem Wirken und dem politischen Graben, der zwischen ihm und seinem am 26. Juli 2020 verstorbenen Bruder, dem Sozialdemokraten und zeitweiligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel, herrschte.
Herr Vogel, wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Sich zu beschreiben, sollte man anderen überlassen. Sie haben einen zutreffenderen Blick.
Glauben Sie an Gott?
Ja.
Kann man beweisen, dass es Gott gibt?
Nein.
Wozu glauben die Menschen, wenn es auch Wissenschaften gibt?
Wissenschaft und Glaube sind keine Gegensätze. Sie bedingen einander.
Rita Süssmuth sagte einmal, dass Jesus wahrscheinlich die CDU-Exponenten aus dem Tempel gejagt hätte, wenn er gesehen hätte, wie sie mit dem „C“ umgehen. Ihre Meinung dazu?
Auf einige „CDU-Exponenten“ mag das Urteil von Rita Süssmuth zutreffen, aber sicher nicht für alle. Wer das „C“ missbraucht, sollte aus dem Tempel getrieben werden. Wer es zu seinem Lebensinhalt macht, aber nicht.
Für viele Menschen ist es ein schmerzhaftes Rätsel, warum Gott so viel Leid zulässt. Auch für Sie?
Auch mir scheint manches Leid, wie beispielsweise Erdbebenkatastrophen oder Kriege, die überall in der Welt geführt werden, rätselhaft. Aber ich akzeptiere, dass zur Freiheit der Kinder Gottes auch gehört, schuldhafte Fehler zu machen.
Sie bekleideten sowohl in einem westdeutschen als auch in einem ostdeutschen Bundesland das Amt des Landesvaters. Wie kam es dazu?
Als Helmut Kohl zum Bundesvorsitzenden der CDU gewählt wurde und sich zwei Jahre später dazu entschied, sein Amt in Mainz aufzugeben, bedrängten viele Freunde mich, der ich fast zehn Jahre als Kultusminister den Kabinetten von Peter Altmeier und Helmut Kohl angehört hatte, mich um seine Nachfolge zu bewerben.
Ich trat an und wurde von meiner Partei zunächst zum Landesvorsitzenden der CDU Rheinland-Pfalz und zwei Jahre später von den Abgeordneten der CDU und der FDP im rheinland-pfälzischen Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt. In Thüringen musste nach dem Rücktritt von Josef Duchač ein Nachfolger gefunden werden. Auch mein Name wurde genannt. Man bat mich, mich zur Verfügung zu stellen.
Weil ich 60 Jahre auf der Sonnenseite Deutschlands, in der Bundesrepublik, gelebt hatte, fühlte ich mich verpflichtet, jetzt denen zu helfen, die durch ihre friedliche Revolution die Wiedervereinigung möglich gemacht hatten. Für mich begann das größte Abenteuer meines Lebens.